Vortragsreihe „Dachauer Prozesse“
Themen: „Zwischen nationaler und internationaler Jurisdiktion“ und „Neue Wege im Strafrecht“
| 15.03.2023 | 18:30—20:30
Die Ahndung von Kriegsverbrechen in der internationalen wissenschaftlichen Debatte im Vorfeld der Dachauer Militärgerichtsprozesse
Zwischen nationaler und internationaler Jurisdiktion:
Die Grundlage der in den Jahren 1945 bis 1948 in Dachau durchgeführten Militärgerichtsprozesse bildeten die in Moskau am 30. Oktober 1943 verabschiedete „Declaration concerning Atrocities“ sowie die „Joint Chiefs of Staff Directive 1023/10“ vom 8. Juli 1945. Die Prozesse basierten also auf einer internationalen Übereinkunft, ihre konkrete Durchführung gründete aber auf nationalen Direktiven der US-amerikanischen Behörden für ihre Besatzungszone. Damit waren die Dachauer Militärgerichtsprozesse ein getreues Abbild einer internationalen wissenschaftlichen Debatte zur Ahndung von Kriegsverbrechen, die ihren Anfang im 19. Jahrhundert genommen hatte. Die zentrale Frage war dabei, ob eine nationale oder internationale Jurisdiktion vorzuziehen sei.
Die Präsentation thematisiert die in diesem Zusammenhang angeführten Möglichkeiten und Normen und leistet einen
Beitrag für eine Kontextualisierung der Dachauer Militärgerichtsprozesse in der „longue durée“.
Daniel Marc Segesser
ist Studienleiter, Dozent für die Sozial-, Kultur- und Umweltgeschichte des Militärischen sowie Mitarbeiter der Geschäftsführung am Historischen Institut der Universität Bern.
Die Dachauer Prozesse und ihr Beitrag zur Entwicklung des modernen Völkerstrafrechts
Neue Wege im Strafrecht.
Je näher das Ende des Zweiten Weltkrieges rückte, umso dringlicher wurde die Diskussion über strukturelle Fragen der Ahndung von NS-Kriegsverbrechen. Es gab bis dato kaum Referenzen nationaler (wie auch internationaler) Jurisprudenz. „Normale“ Militärgerichte konnten von US-amerikanischer Seite nicht eingerichtet werden.
Letztendlich kamen Military Comissions zum Tragen – auf deutschem Boden allerdings nur bis zum Herbst 1945. Hier übernahmen Military Government Courts deren Aufgaben. Strafrechtlich gingen die US-amerikanischen Anklagebehörden neue Wege: Sie wandten besondere Täterbilder an („Common Design“), die bis heute im Völkerstrafrecht von Bedeutung sind.
Der Vortrag beleuchtet die Justizpraxis der Dachauer Prozesse und deren Wirkungsdynamik für das Völkerstrafrecht ab den 1990er Jahren.
Wolfgang Form
ist Politikwissenschaftler mit Schwerpunkten auf internationales Strafrecht und Militärprozessen. Er war Mitbegründer des internationalen Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse an der Phillips-Universität Marburg und bis 2022 dessen Leiter.
Begleitend zur aktuellen Sonderausstellung „Dachauer Prozesse – Verbrechen, Verfahren und Verantwortung“ findet ab September eine Vortragsreihe an der KZ-Gedenkstätte Dachau statt. Diese befasst sich mit der Ahndung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen durch US-Militärgerichte und die nachfolgende Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland. Neben den großen Konzentrationslagerprozessen werden ebenso die Verfahren wegen der Ermordung abgestürzter amerikanischer Flieger und Kriegsgefangener als auch deren juristische Grundlagen behandelt.
Anmeldung Keine Voranmeldung notwendig
Ort Seminarraum der KZ-Gedenkstätte Dachau, Alte Römerstr. 75, 85221 Dachau
Die Teilnahme ist kostenlos. Die Veranstaltung ist im Live-Stream auf dem YouTube-Kanal der KZ-Gedenkstätte Dachau online verfügbar.