Nachruf

Yves Meyer (1923-2024)

 |  13. März 2024

erhalten von Daniele Meyer

Yves Meyer, Mémorial des martyrs de la Déportation, Ile de la Cité, 2 juillet 2010, D.R.

Mit großer Trauer hat die KZ-Gedenkstätte vom Tod des französischen Widerstandskämpfers und ehemaligen Häftlings des KZ Dachau, Yves Meyer, erfahren. Er starb am 31. Januar 2024 in seiner Heimatstadt Paris.

Yves Meyer wurde am 18. Dezember 1923 geboren. Er schloss sich dem Widerstand unter dem Decknamen Gilbert Brachet an und war der Verantwortliche des Maquis der Region A für die MUR (Mouvements Unis de la Résistance). Drei Tage vor der Landung der Alliierten verhaftete die Gestapo ihn in der Normandie, nachdem sich ein Doppelagent in die Widerstandsorganisation eingeschleust hatte. Meyer wurde zunächst in das Gefängnis Bonne Nouvelle in Rouen, dann in das Gefängnis Fresnes und schließlich in das Durchgangslager Compiègne-Royallieu gebracht, ein Fluchtversuch scheiterte. Am 2. Juli 1944, als in Frankreich eine Hitzewelle herrschte, zwang die SS ihn und 2521 andere, in den Konvoi Nr. 7909 nach Dachau einzusteigen, der besser als „Train de la mort“ (Todeszug) bekannt ist. Der Transport fand unter mörderischen Bedingungen statt, in Wagons, die mit 100 Personen überfüllt waren, keinen Platz zum Hinsetzen boten und in denen unerträglicher Luft- und Wassermangel herrschte. Von mehr als zweitausend Gefangenen starben etwa 984 während der viertägigen Qualen. Der Schock über dieses Erlebnis, das Yves Meyer an den Rand des Todes brachte, prägte sein ganzes Leben.

Meyer hatte bereits 1936 die Erzählung eines freigelassenen Häftlings über das KZ Dachau gelesen. Er hielt das damals für übertrieben, doch nun musste er feststellen, dass sie der Wahrheit entsprach. Meyer erinnerte sich an die Ankunft am Dachauer Bahnhof „mit den jungen Deutschen, die uns beschimpften und mit Steinen bewarfen, die Hunde der Wachmänner, die uns bissen…“ als sie zum KZ getrieben wurden. Seine Häftlingsnummer in Dachau war 76569. Nach der Ankunft fand – wie er sich erinnerte – „der Appell aller Namen des Todeszuges statt, auch der vielen Toten, die natürlich nicht antworten konnten und nicht registriert wurden“. Der junge, damals 20-jährige Mann musste den „Geruch von verbranntem Fleisch aus den Krematorien“ ertragen, der tagelang über dem Lager schwebte. Als er miterlebte, dass ein französischer Offizier von einem Kapo geohrfeigt wurde, wollten er und seine Kameraden beim Lagerkommandanten Protest erheben, weil sie in ihrer Unerfahrenheit glaubten, eine Verbesserung erzielen zu können – leider ohne Erfolg. Schließlich erfuhren sie vom Anschlag auf Hitler am 20. Juli 1944, der ihre Hoffnung auf eine Heimkehr in den nächsten Tagen aufkeimen ließ.

Nach einer dreiwöchigen Quarantäne wurde ein Teil der neu angekommenen Franzosen zur Abfahrt in das Außenlager Neckargerach des KZ Natzweiler gezwungen. Yves Meyer musste unter anderem in der Grube Obrigheim für eine Daimler-Benz Fabrik arbeiten, die Flugzeugmotoren für Messerschmitt herstellte. Die grauenhaften Erfahrungen und unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen, die Meyer dort erlebte, übertrafen noch alles befürchtete. Von schwerer Arbeit erschöpft und geschwächt durch Typhus, wurde er am 4. April 1945 in einen Evakuierungszug für kranke Gefangene verlegt, der nach Dachau fuhr. In der Nähe von Osterburken wurde er am gleichen Tag von den Amerikanern befreit. Er wog nur noch 32 Kilogramm.

Yves Meyer, der stets daran appellierte, die Geschehnisse der NS-Zeit nicht zu vergessen, schickte zum 76. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau eine Videobotschaft. Er begann sie mit dem Hinweis: „Guten Tag, mein Name ist Yves Meyer. Über meine Erinnerungen berichte ich von meiner Wohnung in Paris aus. Der Ausblick von hier auf den Mont Valérien erinnert mich jeden Tag an die 1000 dort erschossenen französischen Widerstandskämpfer.“

Am 31. Januar 2024 ist Yves Meyer im Alter von 100 Jahren in seiner französischen Heimatstadt gestorben. Die KZ-Gedenkstätte trauert gemeinsam mit seinen Angehörigen.