Pressemitteilung

Tastmodell in der KZ- Gedenkstätte Dachau: Dem Ziel der Barrierefreiheit einen wesentlichen Schritt nähergekommen

 |  9. September 2020

Weihten das Tastmodell ein: Marese Hoffmann (Kreisrätin), Karl Freller (Direktor Stiftung Bayerische Gedenkstätten), Karoline Wirth (Pädagogische Mitarbeiterin KZ-Gedenkstätte Dachau), Gabriele Hammermann (Leiterin KZ-Gedenkstätte Dachau), Holger Kiesel (Bayerischer Beauftragter für Menschen mit Behinderung), Gregor Strutz (Geschäftsführer der inkl. Design GmbH)

Am 8. September 2020 stellte die KZ-Gedenkstätte Dachau das Tastmodell vor dem Besucherzentrum in der Pater-Roth-Straße in Dachau der Öffentlichkeit vor. Zur großen Freude der Gedenkstätte geschah dies in Anwesenheit des 97jährigen Georg Heller, der Auschwitz und das Dachauer Außenlager Mühldorf überlebt hat.

Das taktile Grundrissmodell ermöglicht Besucherinnen und Besuchern der KZ-Gedenkstätte visuell und haptisch eine Gegenüberstellung des ehemaligen KZ Dachau und der heutigen KZ-Gedenkstätte. Das neue Modell der heutigen KZ-Gedenkstätte bildet zur Orientierung die auf dem Gelände befindlichen historischen, rekonstruierten und neu errichteten Gebäude sowie das Außengelände tastbar ab. Besucher können damit auch die Weitläufigkeit des ehemaligen Konzentrationslagers nachvollziehen.

Der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und I. Vizepräsident des Bayerischen Landtags Karl Freller erläuterte die Funktion des Tastmodells für Sehende wie auch für Sehbehinderte: „Tastend das KZ Dachau zu greifen und zu beGREIFEN ist das Ziel!“

Gabriele Hammermann, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, verwies auf das von der Gedenkstätte verfolgte Vorhaben eines weitestgehend barrierefreien Zugangs zum Gedenk- und Erinnerungsort. „Inklusion bedeutet für die KZ-Gedenkstätte Dachau Vieles: Durch ein befestigtes Wegesystem das Gelände zu erschließen, mit Rampen Museen und Ausstellungen zugänglich zu machen, in einem engen und dialogischen Prozess mit den Verbänden Projekte wie das heutige zu entwickeln. Denkmalschutz am historischen Ort und Barrierefreiheit sind dabei kein Gegensatz, sie werden zusammengedacht.“ Weiter führte die Leiterin der Gedenkstätte aus: „Das Tastmodell als erstes wirklich inklusives Projekt vor Ort berührt mehrere Sinne: Sehen und Tasten – und in Ergänzung des sogenannten Tastplans sogar auch Hören. Den weiteren Abbau von Barrieren denken wir bei allen Projekten der bevorstehenden Neugestaltung mit.“

Als „Instrument der Inklusion“ würdigte Holger Kiesel, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, das Tastmodell und betonte, dass Menschen mit Behinderung, von den Nationalsozialisten als „unwertes Leben“ adressiert, als „Opfergruppe ein besonderes Recht auf Teilhabe am Gedenken und an der Aufarbeitung der Geschichte“ haben. Auch ein dritter Punkt war ihm wichtig: „Das Tastmodell kann letztlich uns ALLEN neue Wege des Gedenkens eröffnen: Denn unsere Finger, unsere Hände, unser Tastsinn vermitteln uns andere emotionale Botschaften als unsere Augen und Ohren.“

Karoline Wirth, pädagogische Mitarbeiterin der KZ-Gedenkstätte, ermöglichte einen Einblick in die zweijährige Planungs- und Herstellungsphase. „Wir haben uns entschieden, eine verständliche Orientierungsmöglichkeit für alle Besucherinnen und Besucher gleichermaßen zu konzipieren.“ Auch für Rollstuhlfahrer ist das Modell zugänglich. Ein aktueller, transportabler Tastplan in Deutsch und Englisch und in Brailleschrift zur Orientierung auf dem Gelände wird in nächster Zeit folgen.

Einen plastischen Einblick in die komplexe Konstruktion des Modells gab der Geschäftsführer der inkl. Design GmbH Gregor Strutz. Dass das Tastmodell einerseits barrierefrei sein und andererseits Wind und Wetter und weiteren Umwelteinflüssen trotzen muss, stellte eine besondere Herausforderung für die Designfirma dar. Wieviel in dem Tastmodell nicht zuletzt an handwerklicher Arbeit steckt, verdeutlichte Strutz mit einigen Zahlen: „In diesem Tastmodell stecken 3700 Löcher, die gebohrt und geschnitten werden mussten, 1000 Gewinde, die geschnitten werden mussten, und auch, man mag es sich kaum vorstellen, 1500 minikleine Schrauben, die alle von Hand reingedreht werden mussten.“