Nachruf
Peter Perel (1928-2024)
| 15. Oktober 2024
Die KZ-Gedenkstätte Dachau trauert um den Überlebenden und Zeitzeugen Peter Perel, der im September 2024 im Alter von 96 Jahren starb.
Er war 1928 im jüdischen Dorf Oktjabrfeld bei Saprischschja in der Ukraine geboren. Seine Kindheit – gemeinsam mit fünf Geschwistern und den Großeltern im selben Ort schilderte Peter Perel als sehr glückliche Zeit; seine Eltern hatten ein gutes Auskommen, der Vater leitete ein Viehhandelsunternehmen, die Mutter arbeitete als Bankangestellte. Doch durch den deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 wurde das Familienidyll jäh zerstört: Die Besatzer setzten die Bevölkerung zu Zwangsarbeiten ein und binnen Wochen begannen die ersten Massenmorde an der jüdischen Bevölkerung, denen auch zahlreiche Angehörige Perels zum Opfer fielen. Ihm selbst gelang zunächst die Flucht, in einem Dorf bei Dnipropetrovsk konnte er seine jüdische Herkunft verheimlichen; trotzdem wurde er Ende 1942 zur Zwangsarbeit nach München verschleppt.
Dort musste er als „Ostarbeiter“ unter anderem auf Baustellen der Firma Sager & Wörner arbeiten, später wurde er einer kleinen Schlosserei als „Hilfsarbeiter“ zugeteilt. Zu seinem Meister Josef Baier entwickelte sich ein enges Vertrauensverhältnis, doch Anfang 1945 verhaftete die Gestapo den damals 16-jährigen „Russen-Peter“ und brachte ihn – ohne einen Grund zu nennen – ins Konzentrationslager Dachau.
Als KZ-Häftling gehörte Peter Perel einem Arbeitskommando an, dass nach Bombenangriffen zum Münchner Hauptbahnhof ausrücken musste, um Trümmer zu räumen. Die Arbeiten waren schwer und die Gefangenen litten Hunger. Als das Kriegsende Ende April 1945 nahte, zwang die SS die deutschen, jüdischen und sowjetischen KZ-Häftlinge auf einen Todesmarsch in Richtung Süden ins Bayerische Oberland, um ihre Befreiung durch die von Nordwesten anrückenden US-Soldaten zu verhindern. Wer während des Marsches nicht weiter konnte oder erschöpft zusammenbrach, wurde von den SS-Wachen auf der Stelle erschossen. Begünstigt durch einen Zufall gelang es Peter Perel, sich am Wegesrand zu verstecken. Stunden harrte er im Gebüsch aus, ehe er sich herauswagte und bis München durchschlug. Sein alter Meister war zwar zum Militärdienst einberufen worden, doch die Ehefrau, Rosa Baier, nahm Perel auf und versteckte ihn bis zum Eintreffen der US-Soldaten.
Nach der Befreiung kehrte er in die ukrainische Sowjetrepublik zurück; er fand seine Eltern wieder, die ebenfalls überlebt hatten. Peter Perel studierte, wurde Chefkonstrukteur in einer Automobilfirmafabrik in Saprischschja und heiratete 1951 Elisweta Godesberg. 1998 wurde er erstmals zum Gedenken der Befreiung des Konzentrationslagers nach Dachau eingeladen. Zwei Jahre später nutzte er die Gelegenheit, als „Kontingentflüchtling“ gemeinsam mit seiner Familie nach Deutschland auszuwandern. Er lebte in Freiburg, von dort besuchte er, in den letzten Jahren begleitet von seiner Tochter Swetlana, regelmäßig die KZ-Gedenkstätte und die Internationale Jugendbegegnung in Dachau. Auch seine Retterin, Rosa Baier, traf er noch bis zu ihrem Tod oft in München. Bei Zeitzeugengesprächen begegnete er den Zuhörenden stets mit großer Offenheit; auch die Mitarbeitenden der KZ-Gedenkstätte werden seine Herzlichkeit und Wärme in Erinnerung behalten. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie.