Nachruf
Henk van de Water (1924 – 2022)
| 23. September 2022
Die KZ-Gedenkstätte trauert um Henk (Hendrikus) van de Water. Er ist am 21. September 2022 im Alter von 98 Jahren verstorben. Mit ihm geht der letzte niederländische Überlebende des KZ Dachau.
Henk van de Water wurde 1924 in Eindhoven geboren. Als er drei Jahre war starb seine Mutter. Aufgrund des schwierigen Verhältnisses zu seiner Stiefmutter musste er auf ein Internat. Zur Zeit des Überfalls der Wehrmacht auf die Niederlande 1940, arbeitete der damals 16-jährige Henk als Fabrikarbeiter bei Philips. Zunächst hatte die deutsche Besatzung wenig Auswirkungen auf seinen Alltag. Philips war für die deutsche Besatzungsmacht ein wichtiger Hersteller von Kommunikationstechnik. 1942 bombardierte die britische Royal Airforce die Philips Fabrik im Rahmen der „Operation Oyster“. Während des Bombardements war Henk van de Water nicht am Arbeitsplatz, verlor jedoch dadurch seine Anstellung und sein Auskommen. Im Frühjahr 1943 erfolgt die Rekrutierung für den Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Er kam nach Stuttgart und musste dort zunächst schwerste Gleisbauarbeiten leisten.
Bald danach wurde er bei der Reichspost zu einer leichteren Arbeit eingeteilt und kam bei einer freundlichen Familie unter. Nachdem ihm wiederholt ein zugesicherter Heimaturlaub versagt worden war, verweigert er schließlich die Arbeit. Kurz darauf bemerkte er, dass er von der Kriminalpolizei unter dem Vorwurf der Sabotage gesucht wurde. Diese verhaftete ihn in einem Zug und brachte ihn in ein Gefängnis in Garmisch. Dort musste er schwere körperliche Arbeit in einer Brauerei leisten. Auch hier widersetzte er sich der Zwangsarbeit. Aus diesem Grund wurde er am 3. Februar 1945 in das KZ Dachau verschleppt. Im überfüllten Quarantäneblock 27 bekam er kurz nach seiner Einlieferung eine schwere Ohrenentzündung. Die notwendige Operation wurde unter widrigen Bedingungen von einem ungarischen Häftlingsarzt durchgeführt. Trotz der starken Schmerzen ist Henk van de Water froh, sich einige Tage im Krankenrevier von der Operation und den katastrophalen Bedingungen im Quarantäneblock erholen zu können. Wiederum kurz nach seiner Rückkehr auf den Quarantäneblock, infizierte er sich mit Typhus. Nach eigener Aussage sicherte ihm vor allem die Hilfe seines Mithäftlings Pim (Willem) van Lanshot, der in der Häftlingsküche arbeitete und ihn mit zusätzlichen Rationen, Informationen zum Kriegsverlauf, Zuspruch und Literatur aus der Lagerbibliothek versorgte, das Überleben. Die Befreiung des Konzentrationslagers Dachau am 29. April 1945 erlebte Henk van de Water schwerkrank im Typhusblock. Immer noch schwerkrank wurde er am 27. Mai 1945 per Flugzeug repatriiert und in ein niederländisches Sanatorium gebracht. Dort konnte er nach fast zweieinhalb Jahren erstmals seinen Vater wiedersehen.
Trotz der vielen Hürden, die er in seinem Leben nehmen musste wurde Henk van de Water von Bekannten als betont lebensfroher und positiver Mensch beschrieben. Er hat lange Jahre eine glückliche Ehe geführt. Die KZ-Gedenkstätte Dachau hat er in den Jahren 2005 und 2008 besucht. In der Gegend seiner Heimatstadt Eindhoven war er lange Zeit ein sehr aktiver Zeitzeuge, besuchte viele Schulen und erreichte dabei zahlreiche Jugendliche. Zudem war Henk van de Water war über 70 Jahre leidenschaftlicher Unterstützer des Fußballvereins FC Eindhoven und besuchte bis ins hohe Alter jedes Heimspiel.
Die KZ-Gedenkstätte Dachau verliert einen Freund. Seiner Ehefrau Ria, seiner Familie und seinen Freunden sprechen wir unser tiefstes Mitgefühl aus.