Gabriele Hammermann (Hrsg.): Zeugnisse der Gefangenschaft. Aus Tagebüchern und Erinnerungen italienischer Militärinternierter in Deutschland 1943-1945.
| 18. November 2014
In der vorliegenden Anthologie kommen die italienischen Militärinternierten zu Wort, deren Schicksal nach 1945 sowohl in Deutschland, aber auch in Italien lange Zeit unbeachtet blieb, obwohl sie in besonderer Weise von dem nationalsozialistischen Regime und der vielschichtigen deutsch-italienischen Kriegsvergangenheit betroffen waren. Ihre Erinnerungsberichte, die uns an ihrem Denken und Fühlen, ihren Handlungsmotiven und Überlebensstrategien, aber auch an ihren Verarbeitungsmechanismen angesichts der Gefangenschaft teilhaben lassen, wurden im Auftrag der Deutsch-Italienischen Historikerkommission zusammengetragen.
Im Zentrum der Anthologie stehen authentische, subjektive Texte: Briefe, Tagebücher und Erinnerungen, die sich hauptsachlich in staatlichen, kommunalen und privaten Archiven in Italien fanden; nur einige wurden bereits publiziert. Die Anthologie, die einen Querschnitt durch das inzwischen sehr umfangreiche Genre autobiografischer Zeugnisse aufzeigt, eignet sich in besonderer Weise für eine erfahrungsgeschichtliche Interpretation des Schicksals der italienischen Militärinternierten, wie sie die Historikerkommission vorgeschlagen hat.
Diese Zeitzeugenberichte – jeweils eingeordnet in die strukturellen historischen Bedingungen des ausgehenden Zweiten Weltkrieges –, ermöglichen eine „Geschichte von unten“, welche das große Spektrum der Lebensbedingungen der gefangenen Italiener veranschaulicht. Sie beleuchten zudem viele Aspekte, die in den „offiziellen“ behördlichen Quellen keinen Niederschlag gefunden haben. Durch diesen subjektiven Blick auf historische Ereignisse gelingt es, vorherrschende Narrative in Deutschland wie in Italien zu differenzieren und zu bereichern sowie das Spannungsverhältnis zwischen öffentlicher Erinnerung und den vielschichtigen historischen Realitäten aufzuzeigen. In diesem Sinne mochte diese Anthologie dazu beitragen, dass die italienischen Militärinternierten einen angemessenen Platz in der Erinnerungskultur beider Länder erhalten.
Die hier präsentierten autobiografischen Zeugnisse italienischer Militärangehöriger sind ganz unterschiedlicher Provenienz. Sie umfassen unmittelbar nach der Entwaffnung angefertigte Erlebnisberichte, authentische Briefzeugnisse aus der Gefangenschaft, Zensurberichte, Zeugenaussagen zu Kriegsverbrechen sowie Befragungsprotokolle italienischer Militärbehörden, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit entstanden sind. Auch transkribierte Interviews, unveröffentlichte sowie bereits publizierte und damit bearbeitete Tagebücher wurden aufgenommen. Von besonderer Qualität sind dabei die Darstellungen, die eine geringe zeitliche Distanz zu dem Geschehenen aufweisen und lediglich zur eigenen, privaten Dokumentation der in der Gefangenschaft gesammelten Erfahrungen entstanden sind.
Mit einem Vorwort von Wolfgang Schieder.
Gabriele Hammermann (Hrsg.): Zeugnisse der Gefangenschaft. Aus Tagebüchern und Erinnerungen italienischer Militärinternierter in Deutschland 1943-1945. De Gruyter, Oldenburg 2014.