Nachruf
David Lenga (1927-2024)
| 23. Februar 2024
Mit großer Trauer hat die KZ-Gedenkstätte vom Tod des jüdischen Überlebenden David Lenga am 25. Januar 2024 erfahren. Mit ihm ist einer der letzten Zeitzeugen der polnischen Ghettos von uns gegangen.
David Lenga wurde im Jahr 1927 in Łódź in eine jüdische Familie geboren. Sein Vater besaß eine Gerberei in der nahegelegenen Stadt Styrkow. Als 11-Jähriger, 1939, erlebte er den Angriff der Wehrmacht und die Besetzung seiner Heimatstadt. Bald darauf mussten David Lenga und seine Familie Łódź verlassen, sie wurden in das Ghetto Stryków eingwiesen. Nach zwei Jahren löste die SS das Ghetto auf. Lengas Vater kam in ein Arbeitslager, während David und der Rest seiner Familie zurück in das Ghetto von Łódź gebracht wurde. Die Lebensbedingungen und der schwere Arbeitsdienst im Ghetto war für Lenga derart kräftezehrend, dass er an Suizid dachte. Als die SS die Auflösung des Ghettos von Łódź 1944 beschloss, wurde David Lenga nach Auschwitz deportiert.
Nach kurzer Zeit entschloss er sich zu einem Transport Richtung Deutschland und kam im KZ Dachau an. Auch dort muss er schwerste Zwangsarbeit leisten. Er wurde in eines der Außenlager Kauferings deportiert und lebte auch dort unter schrecklichsten Bedingungen. Nach mehr als einem Jahr Zwangsarbeit, Hunger und Krankheit wurde das Lager aufgelöst. Unterwegs wurde der Konvoi irrtümlich von amerikanischen Kampfjets angegriffen und viele der Häftlinge getötet. Anfang Mai 1945 wurde David Lenga von US-Truppen befreit.
Als schwer erkrankter Überlebender wurde Lenga in das DP-Hospital Gauting gebracht, wo er in einer mehrmonatigen Genesungsphase die Tuberkulose heilen konnte. Er wanderte danach nach Schweden aus, in ein fremdes Land, in dem er sich ohne Familie, ohne Sprachkenntnisse, ohne Geld und ohne Schulbildung durchschlagen musste. Er war jedoch ein gut ausgebildeter Maßschneider und setzte seine Talente geschickt sein, so dass er sich dort eine Existenz aufbauen konnte. In Schweden lernte er Charlotte Katz, eine Überlebende aus der Tschechoslowakei, kennen und beide heirateten. Einige Jahre nach dem Krieg erfuhr er, dass sein Vater überlebt hatte. David Lenga ließ sich schließlich in Los Angeles nieder, wo er und seine Frau vier Kinder großzogen.
In der jüdischen US-Zeitschrift „The Forward“ verfasste er vor fünf Jahren, im Februar 2019 einen Aufsatz, in dem er vehement den Antisemitismus anprangerte – gleich von welcher politischen Richtung er propagiert wurde – und das Existenzrecht des Staates Israel verteidigte. Er schrieb: „Vielleicht erkennen Sie als Mitglied der Generation meiner Enkelkinder die Anzeichen von Antisemitismus nicht. Aber meine Generation, die diese schreckliche Zeit des Zweiten Weltkriegs erlebt hat – wir erkennen die Zeichen, wenn wir sie sehen, und es schaudert uns! Heute haben die Alt-Rechten und die Linken weltweit den Mantel des bösartigen Antisemitismus übernommen. Diese Parteien versuchen sogar, hier in unseren Vereinigten Staaten politisch Fuß zu fassen.”
Im Jahr 2021 schickte er eine Grußbotschaft an die Gedenkstätte, da aufgrund der Corona-Epidemie die Befreiungsfeier nur virtuell stattfinden konnte.
David Lenga war es möglich, 2023 die Befreiungsfeier in Dachau zu besuchen. Die intensiven Gespräche mit ihm und sein Auftritt als Redner auf der Tribüne auf dem ehemaligen Appellplatz bleiben uns in lebendiger Erinnerung. Seine Schlussworte lauteten: „Hoffen wir, dass wir die bittere Lektion lernen, dass Freiheit niemals kostenlos ist. Sie muss von jeder Generation neu verteidigt werden!“
Wir werden David Lengas Engagement und seine Herzlichkeit sehr vermissen. Unser Dank gilt seiner Familie, die ihn stets unterstützte.