Anne Stiller
| 27. April 2015
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte Dachau trauern um ihre langjährige Kollegin Anne Stiller, die am 2. März 2015 nach langer Krankheit verstorben ist.
Frau Stiller arbeitete von 1984 bis 2008 in der KZ-Gedenkstätte Dachau. Mit großem Engagement und aus voller Überzeugung widmete sie sich vor allem der Betreuung der Überlebenden aus der ehemaligen Sowjetunion. Neben den jüdischen Gefangenen hatten die Sowjetbürger die geringsten Überlebenschancen im Konzentrationslager gehabt. Auch nach der Befreiung und der Rückkehr in ihre Heimat wurden viele von ihnen erneut diskriminiert oder verfolgt, weil sowjetische Behörden sie wegen ihrer Zwangsarbeit in Deutschland pauschal als Kollaborateure betrachteten. Erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion eröffnete sich ihnen daher die Möglichkeit, über die Geschichte ihrer Verfolgung zu sprechen, oder eine symbolische Entschädigungszahlung zu beantragen. Vor allem seit der „Wende“ gingen deshalb auch in der KZ-Gedenkstätte Dachau zahlreiche Anfragen nach einer Bestätigung der Haft im Konzentrationslager Dachau ein. Mit größter Akribie und viel Einfühlungsvermögen beantwortete Anne Stiller diese Briefe, die oft von den Traumata der Absender zeugten und nicht selten ausführliche Schilderungen über den im Konzentrationslager erfahrenen Terror enthielten. Zahlreichen Überlebenden half sie dabei, die Bürokratie der Entschädigungsverfahren zu verstehen und entsprechende Anträge zu stellen. Zugleich war Frau Stiller nicht um unbürokratische Lösungen verlegen, wenn es darum ging, auch die Überlebenden in den entlegeneren Teilen Russlands oder der Ukraine schnell mit einer kleinen Unterstützung oder wichtigen Medikamenten zu versorgen.
Vor allem aber bemühte sie sich um die ehemaligen Häftlinge, die jährlich zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers nach Dachau eingeladen wurden. Der Förderverein für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit in Dachau e.V. hatte in Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Dachau dieses Einladungsprojekt schon 1992 ins Leben gerufen. Es ging darum, den ehemaligen Häftlingen den Wunsch zu erfüllen, selbstbestimmt und als freie Menschen noch einmal an den Ort reisen zu können, an dem sie oft jahrelang inhaftiert waren. Herzlich und mit viel Empathie widmete sich Anne Stiller den Eingeladenen, ohne sich dabei selbst zu verleugnen. Ihre offene und direkte Art trug auch dazu bei, dass zahlreiche Überlebende Frau Stiller in ihr Herz geschlossen haben, und sich bis heute nach ihr erkundigen, obwohl sie schon 2008 aus dem Dienst in der KZ-Gedenkstätte Dachau ausgeschieden war.