Nachruf

Venanzio Gibillini (1924-2019)

 |  22. Januar 2019

Venanzio Gibillini beim Dachauer Zeitzeugengespräch im April 2018

Venanzio Gibillini beim Dachauer Zeitzeugengespräch im April 2018

Venanzio Gibillini beim Dachauer Zeitzeugengespräch im April 2018

Venanzio Gibillini, am 24. November 1924 im französischen Épinac les Mines als Sohn eines Glasarbeiters geboren, wuchs mit vier Geschwistern im Großraum Mailand auf. 1943 wurde er zum Militär einberufen. Aus Angst, nach Deutschland deportiert zu werden, desertierte der Rekrut Venanzio Gibillini unmittelbar nach der italienischen Kapitulation. Da die Stadt bereits von der deutschen Wehrmacht besetzt war, befand er sich in unmittelbarer Gefahr. Anfang 1944 wurde er bei einer Razzia verhaftet und zur Arbeit in einem Eisenbahndepot gezwungen. Im Juli 1944 wurde er nach einem Anschlag der „Resistenza“ wegen Sabotageverdachts verhaftet. Da er technische Fähigkeiten vorweisen konnte, wurde er aus dem KZ Flossenbürg am 10. Oktober 1944 in das Dachauer Außenlager Kottern überstellt. Dort musste er Flugzeugteile für die Firma Messerschmitt AG herstellen. Als italienischer Häftling galt er als abtrünniger Verbündeter, als „Verräter“ und wurde zur Zielscheibe von Misshandlungen und Demütigungen. Am 26. April 1945 befahl der Lagerkommandant die sofortige Räumung des Außenlagers. Zusammen mit 600 erschöpften Häftlingen musste Venanzio Gibillini den Todesmarsch antreten und wurde zwei Tage später bei Pfronten von amerikanischen Truppen befreit.

Engagement als Zeitzeuge

Nach seiner Repatriierung war er als Facharbeiter tätig. In den 1960er Jahren kehrte Venanzio Gibillini erstmals an die Orte seiner Verfolgung zurück und sah sich mit dem Vergessen und Verdrängen der Deutschen schmerzlich konfrontiert.

Regelmäßig besuchte er als Zeitzeuge deutsche und italienische Schulen und sprach über seine Erfahrungen, die ihn in der Gegenwart zu einem engagierten Verfechter der europäischen Idee werden ließen. Mit großem Interesse begleitete Venanzio Gibillini die Neukonzeptionen der Gedenkstätten. Auch der KZ-Gedenkstätte Dachau war Venanzio Gibillini ein wertvoller Begleiter und Freund. Seine Biografie findet sich in der 2002 eröffneten Dauerausstellung der KZ-Gedenkstätte. Noch im April 2018 hat Venanzio Gibillini zusammen mit seinem Sohn Walter und seiner Familie die Gedenkstätte besucht und in der Reihe „Dachauer Zeitzeugengespräche“ von seinem Schicksal berichtet.

Der Tod von Venanzio Gibillini hinterlässt in der KZ-Gedenkstätte Dachau eine schmerzliche und große Lücke. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Seinen Angehörigen gilt unser tiefes Mitgefühl.