Literaturtipps – Newsletter 8 – 2017
Literaturtipps
Meyer, Beate: Fritz Benscher. Ein
Holocaust-Überlebender als Rundfunk- und Fernsehstar in der Bundesrepublik,
Göttingen – Wallstein 2017
Jude, KZ-Überlebender, Hamburger in Bayern
und trotzdem ein Publikumsliebling: der Schauspieler und Quizmaster Fritz
Benscher. „Leider hatte der ‚Führer‘ keine großen Sympathien für mich.“ So
umschrieb Fritz Benscher (1904–1970) die Jahre nach 1933 und seine Haft in
Theresienstadt, Auschwitz und Dachau. Am 1. Mai 1945 wurde er schließlich in
Allach befreit.
Während der Weimarer Republik hatte
Benscher erste Erfahrungen am Theater und beim jungen Rundfunk gesammelt. Nach
der Befreiung wurde er Oberspielleiter bei Radio München, dem späteren
Bayerischen Rundfunk. Mit bissigem Witz und Aufklärung über die Verbrechen des
Nationalsozialismus verschrieb er sich der Reeducation
seiner Landsleute. Später kämpfte er engagiert gegen die Wiederbewaffnung,
ungeachtet der Sprechverbote und sonstiger Sanktionen, die gegen ihn verhängt
wurden. Während viele Anstoß an seinen Beiträgen nahmen, liebte ihn die
Mehrzahl seiner Hörerinnen und Hörer. In den 1960er Jahren setzte er seine
Karriere unvermindert erfolgreich als Moderator, Quizmaster und Schauspieler im
Fernsehen fort.
Beate Meyer, langjährige wissenschaftliche
Mitarbeiterin des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg,
erzählt die Lebensgeschichte Fritz Benschers kenntnisreich und detailliert.
Dafür hat sie zahlreiche Archivmaterialien und Zeitungsartikel ausgewertet und
auch mit Weggefährten Fritz Benschers gesprochen. Entstanden ist ein gut
lesbares, anregendes Buch über einen außergewöhnlichen Unterhaltungskünstler,
das nebenbei auch eine Geschichte der Anfänge von Rundfunk und Fernsehen in der
Bundesrepublik erzählt.
Eschebach, Insa; Hammermann, Gabriele; Rahe, Thomas (Hrsg.): Repatriierung in Europa 1945. Berlin – Metropol 2016
(=Konzentrationslager. Studien zur Geschichte des NS-Terrors, Heft 2)
Die Repatriierung der befreiten
KZ-Häftlinge, Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter war ein komplexer Vorgang,
der in engem Zusammenhang mit mehreren historischen Entwicklungen der
unmittelbaren Nachkriegszeit stand. Dies gilt etwa für die Nachgeschichte der
befreiten Lager, die Geschichte der Displaced Persons und der für sie in Ost
und West eingerichteten Lager, für Flucht und Migration in der unmittelbaren
Nachkriegszeit oder auch für den Konflikt zwischen Ost und West, der sich
schnell im Kalten Krieg zuspitzte.
Die nationalen Kontexte der
Repatriierungen zur Zeit des beginnenden Kalten Krieges sind erst in jüngerer
Zeit in den Blick der historischen Forschung gerückt. In ihrer zweiten Ausgabe
befasst sich die Zeitschrift „Konzentrationslager. Studien zur Geschichte des
NS-Terrors“ mit der Rückkehr der ehemaligen KZ-Häftlinge, Kriegsgefangenen und
Zwangsarbeiter in ihre west-, ost- und südeuropäischen Heimatländer, die
überwiegend organisiert, aber häufig auch aus eigener Initiative heraus
erfolgte. Der Fokus der hier versammelten Beiträge liegt auf der Repatriierung
der in den nationalsozialistischen Lagern befreiten Männer und Frauen.
Die jeweiligen Beiträge nehmen neben
organisatorischen und politischen Fragen der Repatriierungen und den daran
beteiligten Stellen auch die Schicksale einzelner Gruppen befreiter
KZ-Häftlinge in den Blick. Sowohl die Situationen in einzelnen Lagern nach der
Befreiung als auch in den Ländern, in die die Überlebenden zurückkehrten,
werden beleuchtet. Dabei wird deutlich, dass sie keineswegs damit rechnen
konnten, „mit offenen Armen“ empfangen zu werden. Vielmehr schlug ihnen oft
Ablehnung bis hin zu offener Feindseligkeit entgegen. Methodisch wird in den
einzelnen Artikeln vielfach ein biographiegeschichtlicher Ansatz verfolgt, der
auch Zeitzeugen zu Wort kommen lässt. Zwei Beiträge einerseits zur
Baugeschichte der Konzentrationslager, andererseits zur Veränderung des
Kriegsschulddiskurses in der gegenwärtigen deutschen Erinnerungskultur runden
die Ausgabe ab. Entstanden ist ein Band, der durch intensive Quellenrecherchen
zahlreiche neue Details zu einem wichtigen Thema der unmittelbaren
Nachkriegsgeschichte zutage fördert.