Iwan Emeljanowitsch Tischkewitsch
(15. Mai 1910 – 1942)
Eine Gedenkbotschaft seiner Enkelin Elina Nikolaewna Lewtschenko mit ihrer Schwiegertochter Marija Anatoljewna Kochanowa
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(Übersetzung des russischen Transkripts)
Liebe Gründer und Mitarbeiter der Gedenkstätte Dachau, Angehörige der verstorbenen Häftlinge und alle, denen ihr Schicksal nicht gleichgültig ist, ich begrüße Sie. Ich möchte mich bei der Gedenkstätte Dachau für diese Initiative bedanken, die dem 80. Jahrestag des Kriegsbeginns gewidmet ist. Sie ermöglicht es uns, die Geschichte unserer Familie zu teilen, die alle Angehörigen der Gefangenen verbindet.
Wir sind Verwandte von Iwan Tischkewitsch, der in Dachau starb. Ich bin seine Enkelin. Das ist meine Schwiegertochter Maria. Ich möchte Ihnen von meinem Großvater, Iwan Tischkewitsch, erzählen.
Er wurde am 15. Mai 1910 im Dorf Gresk in Belarus geboren. In den 1920ern war auf der Militärschule und wollte der Roten Armee beitreten. Kurz nach seinem Abschluss heiratete er. Das Regiment, in dem Iwan Tischkewitsch diente, befand sich im Baltikum in der Nähe von Kaunas. Hier trat Iwan Tischkewitsch seinen ersten Kriegstag als Hauptmann und Stabschef des 97. Infanterieregiments der 33. Infanteriedivision an. Er war 31 Jahre alt. Laut einer Ordensliste wurde ihm der Rotbannerorden verliehen. Als Hauptmann sorgte Tischkewitsch für präzise Arbeit in seinem Stab. Während der Angriffe am 22. Juni 1941 zog er mit seinem Regiment mehrmals in den Kampf. Nach der Umzingelung in der Nähe von Kazlų Rūda verschwand er im Sommer 1941 spurlos. Später erhielt seine Frau zwei Briefe. Laut dem einen wurde Iwan umzingelt und getötet. Laut dem anderen wurde er gefangen genommen. Später fanden wir heraus, dass er gefangen genommen wurde am 1. Juli 1941 in der Stadt Kaunas. Später befand er sich im Oflag XIII D. Und im September 1941 [tatsächlich Januar 1942] wurde er an die Gestapo in Nürnberg übergeben. Es war klar, dass sie nicht lebend von der Gestapo zurückkehren würden. Nach Folter und Vernehmungen wurden sie auf dem KZ-Gelände erschossen. Im Herbst verlagerte man das Morden auf einen Schießplatz in der Nähe von Dachau. Am 27. Januar 1942 wurde Iwan Tischkewitsch nach Dachau überstellt.
Ich möchte mit Ihnen unsere Gefühle über Dachau mitteilen und erklären, was die Gedenkstätte für uns bedeutet. Vor allem ist es ein Ort, an dem man Iwan gedenken und mehr über seine letzten Tage in Erfahrung bringen kann. Auch kann man hier mehr über das Schicksal anderer Gefangener lernen. Es ist in unserer Kultur und Tradition so verankert, dass Menschen Friedhöfe besuchen, um ihre verstorbenen Liebsten zu ehren. Dachau ist kein Friedhof, jedoch trotzdem der Ort, an dem man der dort Verstorbenen gedenken kann. Denn im Außenort der Gedenkstätte steht ein Denkmal für die Opfer der Erschießungen. Dort findet man etwa 100 Namensplaketten. Darunter auch den Namen meines Großvaters Iwan Tischkewitsch. Seine Plakette hat die Seriennummer A3. Dieser Boden ist mit Blut und der Asche unserer Liebsten bedeckt. Wenn man sich an diesem Ort mit weiten Feldern und Bäumen befindet, ist es schwer zu begreifen, wie diese Schönheit, die das Auge erblickt, mit den Schrecken der Vergangenheit zusammenpasst. Betritt man diese Erde, kommen einem die Tränen, weil man daran denkt, was die Menschen wohl gefühlt haben, die hier zum Tode verurteilt wurden. So viel Leid. Es ist ein sehr schwermütiger, aber auch wichtiger Ort. Vor allem für die Nachkommen der in Dachau getöteten Gefangenen, die seit Jahren nach Antworten suchen, was ihren Angehörigen passiert ist. Es ist sehr schwer, die Wahrheit herauszufinden. Aber in Unwissenheit zu sein, ist noch viel schlimmer. Deshalb war es für uns wichtig, die Gedenkstätte Dachau zu besuchen. Dort zu sein, wo Iwan Tischkewitsch die letzten Minuten seines Lebens verbrachte. Dank der von der Gedenkstätte organisierten Veranstaltungen sowie der Zeitung „Zvezda“ und Artikeln aus anderen Zeitungen erfuhren unsere Verwandten von seinem Schicksal. Wir hatten keine Ahnung, dass Viktor Dwuretschenskij mit uns zusammen nach Informationen über vermisste Verwandte suchte. Erst nach unserem Besuch in Dachau konnten wir mit ihm in Kontakt treten. Wir tauschten Informationen aus, ergänzten unsere Familienalben mit Fotos, die verschiedene Familienmitglieder besaßen. Wir hoffen, dass auch andere Angehörige der mehr als 4.000 in Dachau ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen von den Schicksalen ihrer Verwandten erfahren können. Leider lebten die nächsten Verwandten von Iwan nicht lange genug, um sein Schicksal zu kennen. Bis zur letzten Minute verloren sie keine Hoffnung und warteten auf Nachrichten. Erst der nächsten Generation gelang es, die Wahrheit über sein tragisches Schicksal zu erfahren.
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