Gedenkbotschaft Leslie Rosenthal
Gedenkbotschaft Leslie Rosenthal
Im Außenlager Kaufering geboren
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(Übersetzung des englischen Transkripts)
Mein Name ist Leslie Rosenthal.
Ich möchte mich bei den Organisatoren des 76. Gedenktages der Befreiung von Dachau dafür bedanken, dass sie mich gebeten haben, mit einer Botschaft teilzunehmen. Ich wurde im Konzentrationslager Kaufering, Lager I, geboren, eines von elf [Kauferinger] Außenlagern des KZ Dachau. Meine Mutter und ich wurden am 29. April 1945 in Dachau befreit. Es gab sechs weitere Mütter, die in der Zeit von Dezember 1944 bis Februar 1945 gesunde Babys zur Welt brachten. Das war wirklich ein Wunder. Über 1,5 Millionen Kinder wurden von den Nazis ermordet und hier, in einem Konzentrationslager, wurden sieben neue Leben zur Welt gebracht.
Warum haben die Nazis das zugelassen? Ich glaube nicht, dass wir das jemals wirklich wissen werden… aber vielleicht wussten die Nazis, dass sie den Krieg verlieren würden, und indem sie der Welt zeigten, „Schaut her, hier wurden Babys geboren“, würden sie sich irgendwie vor der Bestrafung retten. Darüber habe ich sehr lange nachgedacht und erkannt, dass die sieben Babys – wir sind jetzt alle 76 Jahre alt – die letzte lebende Verbindung zum Holocaust sein könnten.
Sowohl die Zahl der Holocaust-Überlebenden als auch die der Befreier schwindet, zumal in diesem Jahr die verheerende Pandemie so viele von ihnen das Leben gekostet hat. Aber ihre Erinnerungen, ihre Geschichten und die Tatsachen der Vernichtung durch die Nazis müssen weiterleben.
Meine selige Mutter wurde oft gefragt: „Wie können Sie noch an G-tt glauben nach allem, was passiert ist?“ Ihre Antwort war einfach: „Ich habe ein Baby aus der Hölle zurückgebracht.“ Ihr Glaube war stark und unerschütterlich.
Die bereits erwähnten sieben Babys trafen sich zum ersten Mal 2010 in München und Dachau, um den 65. Jahrestag der Befreiung von Dachau zu feiern. In der Gedenkstätte gab es eine Sonderausstellung, die die Mütter ehrte. Das Thema lautete „Sie gaben uns Hoffnung“. Meine Mutter konnte nicht teilnehmen, schickte aber ein Video, in dem sie ihren Dank und ihre Hoffnung für die Zukunft ausdrückte. Gestatten Sie mir, Ihnen einen gekürzten Ausschnitt aus dem Text, der 2010 präsentiert wurde, vorzulesen:
„Einen besonderen Gruß möchte ich an die sieben in Kaufering geborenen Kinder richten, die heute hier versammelt sind – aus Kanada, Brasilien, Israel, der Slowakei und Ungarn – an Chana, Marika, Judit, Agi, George, Yossi und meinen Sohn Leslie. Wir waren sieben ‚Lagerschwestern‘, Frauen, die wie Schwestern waren, obwohl wir Fremde waren. Wir haben uns gegenseitig geholfen. Die SS nannte uns das ‚Schwangerschaftskommando‘. Heute sind nur noch Eva Fleischmannová aus der Slowakei und ich aus Kanada übrig. Die anderen fünf Frauen waren Elisabeth Legmann, die meinem Sohn das Leben gerettet hat, Suri Hirsch, Dora Loewy, Magda Schwarcz und Ibolya Kovacs. Unsere Kinder sind heute an dieser Gedenkstätte, um uns zu vertreten.
Das heutige Treffen dient dem Gedenken an diejenigen, die umgekommen sind. Die amerikanische Armee hat sieben Mütter und deren Babys in Dachau am 29. April 1945 befreit. Bis heute weiß ich nicht, warum wir verschont wurden, warum wir am Leben geblieben sind, während eineinhalb Millionen jüdische Kinder von den Nazis getötet wurden. Die Amerikaner konnten nicht glauben, was sie inmitten von so viel Tod erblickten – sieben Babys!
Ich richte diese Botschaft an die Menschen in Deutschland. Besonders an die jungen Menschen, auch an Politiker, Pädagogen, Geistliche. Wir müssen lernen, andere leidende Nationen der Welt zu verstehen; wir müssen Toleranz üben. Akzeptieren wir unsere Unterschiede – Hautfarbe, Religion – wir sind alle Kinder Gottes. Die jungen Menschen müssen für die Demokratie kämpfen. Habt keine Angst, eure Meinung zu sagen; seid nicht selbstgefällig. Ihr habt ein Beispiel mit Hitler, der das Volk vergiftete und es lehrte, die Juden zu hassen und für alles verantwortlich zu machen. Die Menschen glaubten ihm. Ich bete und hoffe, dass sich in Eurer Generation die Welt ändern wird.
Danke, dass Sie sich meine Nachricht angehört haben.“
Miriam Rosenthal
Toronto, Kanada
Januar 2010
Während ihre Zahl [der Überlebenden] abnimmt, bezeugen ihre Geschichten sowie tausende und abertausende von Videos, Büchern, Zeugnissen und Überlebenden-Interviews, was in jenen sehr dunklen Tagen geschah. Im Laufe der Zeit wird es eine Tendenz geben, diese [Zeugenaussagen] in den Mülleimer der Geschichte zu verbannen. Fakten werden verwischt, ausgelöscht oder manipuliert. Auch heute noch, im Jahr 2021, gibt es einen erheblichen Mangel an Wissen über den Holocaust, weltweit.
Die Bildung unserer Kinder ist von höchster Bedeutung. Die Schrecken und die tragischen Ereignisse dieser Ära müssen Teil des Lehrplans jeder Schule sein. Wie Churchill einmal schrieb: „Diejenigen, die nicht aus der Geschichte lernen, sind dazu verdammt, sie zu wiederholen.“
Wie meine Mutter es so schön formuliert hat: „Akzeptieren wir unsere Unterschiede – Hautfarbe, Religion – denn wir sind alle Kinder Gottes.“
Ich füge Bilder von meinen Enkelkindern bei, die Schilder hochhalten, auf denen steht: „Wir erinnern uns“ und „Nie wieder“.
Danke und Gott segne Sie.
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